18.11.2022
Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung: Vier Projekte ausgezeichnet Verleihung des Hermann-Schmidt-Preises 2022
„Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung: Neue Konzepte und Umsetzungen“ – so lautete das Thema des diesjährigen Wettbewerbs um den „Hermann-Schmidt-Preis“. Der Verein „Innovative Berufsbildung“ identifizierte und prämierte nach zweijähriger coronabedingter Unterbrechung damit wieder gezielt vier Projekte, die beispielhafte Konzepte und Modelle entwickelt und in der Praxis erfolgreich umgesetzt haben. Die Wahl des Wettbewerbsthemas erfolgte vor dem Hintergrund, dass Nachhaltigkeit und Digitalisierung als wichtigste Treiber des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft gelten und beide Themen zudem ein erhebliches Potenzial zur Modernisierung und zur Steigerung der Attraktivität der Berufsbildung aufweisen.
Der 1996 gegründete Verein „Innovative Berufsbildung e.V.“ – getragen vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn sowie wbv Media in Bielefeld – hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem Hermann-Schmidt-Preis auf innovative Ansätze in der Berufsbildungspraxis aufmerksam zu machen, diese zu fördern und als gute Beispiele zur Nachahmung zu empfehlen. Namensgeber ist der frühere Präsident des BIBB, Prof. Dr. Hermann Schmidt, der das Institut von 1977 bis 1997 leitete. Die Preisverleihung fand am 11. Oktober 2022 auf dem Jahreskongress Berufliche Bildung („jakobb“) in Stuttgart statt.
Aus den zum Wettbewerb eingereichten Initiativen gingen als Sieger hervor:
Hermann-Schmidt-Preisträger 2022: „HANDWERKhochN – Nachhaltigkeit in Handwerksbetrieben stärken!“ – Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e. V. (ZWH), Düsseldorf
Das Projekt bildet Betriebsinhabende zum Thema Nachhaltigkeit durch die Anwendung digitaler Management-Instrumente weiter. In Form von Workshops und persönlichen Beratungen lernen die Betriebsinhabenden, wie sie ihren Betrieb strategisch und operativ nachhaltiger aufstellen können. Das Herzstück der Instrumente ist der Nachhaltigkeits-Navigator Handwerk, ein webbasiertes Tool, das eine Bestandsaufnahme der Nachhaltigkeitsaktivitäten im jeweiligen Handwerksbetrieb ermöglicht. Darüber lassen sich weiterführend konkrete Nachhaltigkeitsziele formulieren und eine Nachhaltigkeitsstrategie ableiten. Begleitend zum Navigator steht den Betriebsinhabenden ein barrierefreier Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie ein Quick Check für die erste Einschätzung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten digital zur Verfügung. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Nach Auffassung der Jury verknüpft das ausgezeichnete Projekt die beiden Schwerpunkte der diesjährigen Ausschreibung – Digitalisierung und Nachhaltigkeit – in herausragender Weise. Die Jury hebt zudem die flächendeckende Verbreitung des Projekts durch die Handwerkskammern hervor und würdigt insbesondere die vielfältigen Transfer-Aktivitäten.
Sonderpreis: „NETZWERK Q 4.0 – Netzwerk zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals im digitalen Wandel“ – Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V. als Gesamtkoordination des NETZWERKS Q 4.0
Das Projekt hat sich das Ziel gesetzt, eine flächendeckende Qualifizierung des Ausbildungspersonals durch die Entwicklung und Implementierung passgenauer und innovativer Weiterbildungsangebote zu erreichen. Die Themenschwerpunkte konzentrieren sich dabei zum einen auf einzelne Berufsfelder und Branchen (wie zum Beispiel Metall & Elektro, kaufmännische Berufe) sowie zum anderen auf branchenübergreifende Themen (zum Beispiel Rolle von Ausbilder/-innen). Dabei beziehen sich nicht nur die Inhalte der Weiterbildungsangebote auf die Digitalisierung, sondern auch die Maßnahmen selbst werden über das eigens für das Projekt konzipierte Blended-Learning-Konzept in digitaler Form durchgeführt. Die aktuell rund 100 Q 4.0 Trainings werden jeweils auf einer digitalen Lernplattform bereitgestellt, die passgenau für das Netzwerk entwickelt wurde. Zu den Trainings zählen auch Angebote zur Nachhaltigkeit und zum Umweltschutz. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt des IW, der Bildungswerke der Wirtschaft sowie weiterer Bildungsinstitutionen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und hat bislang bereits über 19.000 Teilnehmende erreicht. Als besondere Innovation würdigt die Jury die außergewöhnliche Breite der Behandlung digitaler Aspekte in der Weiterbildung des Ausbildungspersonals. Die Jury hebt darüber hinaus die flächendeckende Verbreitung der Bildungsangebote durch die Bildungswerke der Wirtschaft hervor.
Sonderpreis: „EDEKA AzubiGuide“ – EDEKA Juniorengruppe e. V., Hamburg
Die EDEKA-Auszubildenden haben mit dem AzubiGuide die Möglichkeit, ihre Ausbildungsnachweise einfach und digital zu führen. Sie können mit dem AzubiGuide unter anderem ihren Ausbildungsstand und eine Übersicht ihrer Ausbildungsnachweise abrufen und sehen, welche Nachweise sie noch verbessern müssen. Ausbildungsnachweise können sie direkt in der App schreiben oder über die Sprachsteuerung diktieren. Das Ausbildungspersonal kann den Stand der Ausbildung und deren Nachweise prüfen, kommentieren und somit entsprechendes Feedback geben. Die Kommunikation zwischen Ausbilder/-innen und Auszubildenden wird durch einen Echtzeit-Chat unterstützt. Der AzubiGuide ist mit dem Learning Management System, dem EDEKA-Wissensportal, verbunden und wird derzeit für zehn der insgesamt 30 Ausbildungsberufe im EDEKA-Verbund genutzt. Rund ein Drittel der knapp 20.000 EDEKA-Auszubildenden nutzen bereits den AzubiGuide, ein weiterer Ausbau ist geplant. Für die Jury stellt der AzubiGuide eine strukturierte und sinnvolle Unterstützung für Auszubildende und das Ausbildungspersonal dar. Die Jury würdigt den digitalen Ansatz mit seinen umfangreichen Angeboten für Jugendliche sowie Ausbilderinnen und Ausbilder und hebt dabei insbesondere die E-Learning-Module, die Feedback-Möglichkeiten sowie die Transparenz des Ausbildungsablaufs hervor.
Sonderpreis: „Sicherung der fachpraktischen Reha-Ausbildung durch Virtual Reality“ – IN VIA St. Lioba gGmbH, Paderborn
Das Projekt wurde konzipiert, um Auszubildenden mit Handicap während der Coronapandemie die Möglichkeit zu eröffnen, auch außerhalb der Werkstätten und unabhängig vom Einsatz von Material und Maschinen im Rahmen ihrer fachpraktischen Ausbildung prüfungsrelevante Ausbildungsinhalte zu vertiefen. Dafür wurden zum Beispiel im Bereich der Holz- und Malerarbeiten einzelne Arbeitsgänge durch Virtual Reality detailliert eingespielt, so dass die Jugendlichen sämtliche Arbeitsabläufe in einer VR-Umgebung ausführen können. Der Einsatz der VR-Technik ermöglicht es, neben dem Sammeln wertvoller Erfahrungen, spielerisch an die Arbeiten und Lerninhalte heranzugehen und durch die Einsparung von Holz und Farbe Ressourcen nachhaltig zu schonen. Gleichzeitig wird die virtuelle Welt als real und greifbar empfunden. Dies steigert die Motivation der Jugendlichen, mit der Umgebung zu interagieren, lässt Arbeitsabläufe natürlich erscheinen und vertieft den Lerneffekt. Das Projekt stellt einen wichtigen Schritt zur Digitalisierung von Fachpraktikerausbildungen dar. Nach Auffassung der Jury ist das Projekt in hohem Maße innovativ. Die Jury hebt insbesondere den Vorbildcharakter des Projektansatzes hervor, der auch für andere Bereiche der Fachpraktikerausbildungen genutzt werden kann.
Bild: v.l.n.r. Arndt Bertelsmann, Christoph Klausing, Dieter Müller, Dieter Vössing, Markus Singler, Bastian Dietzel, Laura Briese, Dirk Werner, Maria Cyliax, Peter Karst, Luise Maudanz, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser / BIBB