11.09.2024

Nachwuchsförderung: Beitrag zur Demokratiesicherung?!

Auf den ersten Blick haben Nachwuchsförderung und Demokratie nichts miteinander zu tun. Aus Studien wissen wir jedoch, dass Arbeitsplatzsicherheit und Entwicklungsperspektiven nicht nur zur wirtschaftlichen Konfliktarmut und Stabilität, sondern auch zur sozialen Stabilität beitragen. Denn so wird das Vertrauen in soziale Gerechtigkeit und die damit verbundenen demokratischen Institutionen gestärkt. Und wir wissen auch, dass Menschen, die so empfinden, eher dazu neigen, sich politisch zu engagieren und sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Doch damit ist auch klar, dass auch und gerade die Berufsausbildung und andere Formen der Nachwuchsförderung dazu signifikant beitragen.

Größte Sorge bereitet mir deshalb, dass die Zahl der jungen Menschen unter 35 Jahren ohne Berufsabschluss weiter auf jetzt rund 2,9 Millionen gestiegen ist. Mittlerweile ist fast jeder fünfte in dieser Altersgruppe davon betroffen. Dass damit ein signifikant höheres Risiko des Arbeitsplatzverlustes verbunden ist, wissen wir. Das können wir uns nicht leisten: nicht nur wegen der Fachkräftesicherung, sondern auch wegen der Zukunft unserer Demokratie.

Hier müssen wir alles daransetzen, um durch innovative Lösungen, Modularisierung der Berufsausbildung für junge Berufstätige gegebenenfalls mit Kombi-Löhnen sowie Reform des Übergangssystems gegebenenfalls mit Kombi-(Aus)Bildungsvergütungen, massiv gegenzusteuern.

Gründe für Demokratie - Relevanz von Nachwuchsförderung
Eine gute Bildung und insbesondere Berufsausbildung, fördert, dass junge Menschen kritische und informierte Entscheidungen treffen. Dies wird auch von einer informierten Wählerschaft benötigt.

Investitionen in die berufliche Bildung und Weiterbildung erhöhen die Employability, aber auch die Zukunftsperspektiven und machen weniger anfällig für extreme, undemokratische Strömungen. Das war schon zu meinen Lufthansa-Zeiten einer der Gründe dafür, das neue Berufsbild Servicekaufmann/-frau im Luftverkehr zu schaffen.

Durch die Förderung von Vielfalt und Teilhabe in der Arbeit können Betriebe nicht nur Diskriminierung abbauen, sondern auch mehr und mehr gleiche Chancen für viele schaffen.

Als Personalchef der Telekom habe ich vor weit über einem Jahrzehnt vielen Hunderten junger Menschen aus damaligem Hartz-IV-Hintergrund durch Einstiegsqualifizierung Chancen der beruflichen Qualifizierung ermöglicht. 80 Prozent fanden den Weg in das erste oder gar zweite Ausbildungsjahr.

Solche und ähnliche Initiativen stärken nicht nur den sozialen Zusammenhalt, sondern auch das demokratische Ideal der Gleichheit vor dem Gesetz wie auch der sozialen Gerechtigkeit.

Betriebe können aber auch ganz bewusst Programme unterstützen, die zivilgesellschaftliche Freiwilligenarbeit fördern. Bei der Telekom forderte mich der Betriebsratsvorsitzende richtigerweise auf, zivilbürgerliches Engagement durch Projekte zu unterstützen, die insbesondere die Erinnerungskultur junger Menschen an den Holocaust und die Verbrechen des Nationalsozialismus stärken. Diese Initiative wurde damals fester Bestandteil der Berufsausbildung, oft auch in der Freizeit der jungen Menschen.

Führung ist das A und O und gleichzeitig Nadelöhr
Führungspersonen, auch und gerade im Bereich der Bildung, die ethisch handeln, integer eine korruptionsfreie Arbeitswelt gewährleisten, Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen und transparent Rechenschaft ablegen, fördern auch allgemeines Vertrauen in demokratische Prinzipien und Verfahren. Echte Vorbilder!

Wenn sie zudem einen partizipativen Führungsstil pflegen, fördert dies eine Kultur, der Teilhabe und Mitbestimmung, die zentrale Elemente einer funktionierenden Demokratie sind.

Zu meinen Zeiten nannte man das die soziale Verantwortung von Führungskräften. Gerade in schwierigen Zeiten wie heute besonders gefragt!

Dr. Thomas Sattelberger
Mitglied Deutscher Bundestag 2017 – 2022
Parlamentarischer Staatssekretär a.D.