26.10.2023

Ausbildungsabbrüche in der Pflege nehmen zu - Experte verrät, wie Unternehmen jetzt gegensteuern

Die Pflegebranche ist im Alarmzustand: Die Zahl der Ausbildungsabbrüche in Pflegeberufen nimmt stetig zu, während der Mangel an qualifizierten Fachkräften immer dringender wird. Dieser Trend stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheitsversorgung dar und wirft Fragen zur Qualität und Attraktivität der Pflegeausbildung auf.

"Das Problem ist nicht nur der Abbruch der Ausbildung an sich, sondern auch die unausgesprochenen Gründe dahinter. Viele Pflegeeinrichtungen schaffen es nicht, eine Arbeitsumgebung zu bieten, die junge Menschen im stressigen Alltag der Pflege unterstützt", betont Max Grinda, der als Recruiting-Berater über 300 Pflegeeinrichtungen beraten hat.

Wie Pflegeunternehmen jetzt Azubis gewinnen und sie langfristig halten, verrät er im folgenden Beitrag.

Darum gibt es ausgerechnet im zweiten Ausbildungsjahr so viele Abbrüche

Ein Großteil der Ausbildungsabbrüche im Pflegebereich findet im zweiten Ausbildungsjahr statt. Es lohnt sich, genauer hinzusehen und zu analysieren, warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt so viele Auszubildende die Motivation verlieren und sich dazu entschließen, ihre Ausbildung abzubrechen.

Im ersten Ausbildungsjahr sammeln Auszubildende ihre ersten Erfahrungen in einem von ihnen gewählten Orientierungsbereich. Als Neueinsteiger werden sie in diesen Bereich allmählich eingearbeitet und wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie Fragen haben oder schwierige Situationen eintreten. Im zweiten Ausbildungsjahr folgen Pflichteinsätze an verschiedenen Einsatzorten. Hier wird jedoch von den bereits fortgeschrittenen Auszubildenden unter Umständen ein Wissen oder eine Erfahrung erwartet, die die jungen Menschen gar nicht mitbringen. Die Anforderungen in der ambulanten Pflege, der pädiatrischen Versorgung und in der stationären Pflege unterscheiden sich deutlich, sodass sich viele Auszubildende im wechselnden Arbeitsumfeld überfordert fühlen.

Aufgrund des allgegenwärtigen Fachkräftemangels in der Pflege bleibt kaum Zeit, die Auszubildenden anzuleiten. Viele Teammitglieder in den Einrichtungen gehen sogar davon aus, dass die Auszubildenden Pflegetätigkeiten bereits selbstständig übernehmen können und zeigen sich den Berufseinsteigern gegenüber wenig verständnisvoll. Die Auszubildenden sind während des zweiten Ausbildungsjahres nicht nur gefordert, sich selbstständig in neue Bereiche zu integrieren und komplexe Aufgaben zu übernehmen. Sie müssen sich außerdem auf die Zwischenprüfung vorbereiten - eine Doppelbelastung, die viele Auszubildende dazu bewegt, die Ausbildung abzubrechen.

Auf diese Weise können Pflegeschulen Ausbildungsabbrüchen entgegenwirken

Auszubildende fällen die Entscheidung für den Ausbildungsabbruch selten über Nacht. Vielmehr baut sich der Druck über Monate auf und lässt den Entschluss, die ursprüngliche Wunschausbildung hinzuwerfen, allmählich reifen. Um die Zahl der Ausbildungsabbrüche zu verringern, ist es wichtig, sich anbahnende Abbrüche frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten, mit denen sich die Auszubildenden an die Pflegeschule oder den Ausbildungsträger binden lassen.

Wird deutlich, dass Auszubildende den Herausforderungen in der Pflege nicht gewachsen sind, sie unter dem enormen Druck in der Branche leiden und dazu tendieren, die Ausbildung abzubrechen, wird dies als Zeichen der persönlichen Schwäche und einer mangelnden Eignung für die Arbeit in diesem Bereich verstanden. Pflegeschulen sind folglich gefragt, den Kontakt zu den Auszubildenden ständig zu halten, ihnen mit Verständnis entgegenzutreten und sie dabei zu unterstützen, schwierige Phasen gut zu überstehen.

Der häufige Wechsel zwischen verschiedenen Einrichtungen, der in der Pflegeausbildung üblich ist, soll den Auszubildenden die Möglichkeit geben, verschiedene Bereiche kennenzulernen und ein möglichst breites Wissen zu gewinnen. Doch leider verlieren viele Auszubildende durch diese Wechsel die Identifikation mit ihrem Ausbildungsträger und sind nicht in der Lage, die Erfahrungen in den Teilbereichen in einem Gesamtkontext zu betrachten, in dem ein erfüllendes Arbeiten möglich scheint. Wie kann es gelingen, die Chancen, welche die Generalistik der Ausbildung mit sich bringt, klarer herauszuarbeiten und den Auszubildenden zu vermitteln, welchen Stellenwert sie für den Ausbildungsträger haben?

Es ist Zeit für eine neue Ausbildungskultur in der Pflege

Auszubildende sind eine wertvolle Ressource für die gesamte Pflegebranche. Wer als guter Ausbildungsbetrieb interessierte Mitarbeiter ausbildet, besitzt ein wertvolles Werkzeug im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Die hohe Quote an Ausbildungsabbrüchen sollte die gesamte Branche wachrütteln und dazu anregen, eine neue Ausbildungskultur zu etablieren.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Ausbildungsverbünde zu etablieren und gemeinsam mit allen Akteuren ein neues Pflegeverständnis zu entwickeln. Hier ist es sinnvoll, eine Beratung in Anspruch zu nehmen und die Interessen der Auszubildenden in sämtliche Überlegungen einzubeziehen. Ein externer Berater unterstützt die Ausbildungsverbünde dabei, ihr Leitbild zu definieren und Ideen in Strategien sowie messbare Maßnahmen umzuwandeln.

Den ersten Schritt auf dem Weg zu einer neuen Ausbildungskultur können Ausbildungsträger, Pflegeschulen und Führungskräfte in den Einrichtungen auch ohne Hilfe gehen: Sie sollten sich bemühen, die Perspektive der Auszubildenden einzunehmen, ihnen feste Ansprechpartner zur Seite stellen und ihnen die Wertschätzung entgegenbringen, die sich aus ihrer Bedeutung für die Branche ableiten lässt.

BILD: FM Consulting GmbH