15.11.2023

Immersive Medien in der beruflichen Bildung – Einblicke in Forschung und Praxis

Um die überbetriebliche Ausbildung selbstständig mit immersiven Medien anreichern zu können, hat das Berufsbildungs- und TechnologieZentrum Osnabrück mit einem Autorentool eine AR-Anwendung erstellt. Beides präsentierten sie in der Informationsveranstaltung „Immersive Medien in der beruflichen Bildung“. Vorträge aus Forschung und Praxis zu Vorteilen und Einsatzmöglichkeiten von VR und AR im Bildungsbereich rundeten das Programm ab.

Ob beim Autofahren, Städtetrip oder bei der Küchenplanung: Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) gehören heute zum alltäglichen Leben dazu. Sie ermöglichen, bereits Bekanntes auf eine neue Art und Weise zu erfahren oder aus einer bisher unbekannten Perspektive zu erleben. Sie stimulieren Sinne und Gehirn auf eine neue Art und Weise – und genau das macht sie für den Bildungsbereich höchst interessant.

So wundert es wenig, dass rund 100 Personen aus Berufsbildung und Ausbildungspraxis an der Online-Informationsveranstaltung „Immersive Medien in der beruflichen Bildung“ des Berufsbildungs- und TechnologieZentrums (BTZ) Osnabrück teilnahmen. Neben Vorträgen aus Forschung und Praxis zu Vorteilen und Einsatzmöglichkeiten von VR und AR in der beruflichen und akademischen Bildung erhielten die Teilnehmenden Einblick in ein Autorenwerkzeug und eine damit erstellte AR-Anwendung. Außerdem wurde der neue Ausbildungsberuf „Gestalter*in für immersive Medien“ vorgestellt.

Mit dem Autorenwerkzeug zur eigenen AR-Anwendung
Waren AR und VR in der beruflichen Bildung zunächst eher Gegenstand von Diskussion und Austausch, versuchen mittlerweile immer mehr Projekte diese Medien gewinnbringend in die Ausbildung zu integrieren. Aus dieser Pionierarbeit entstanden bereits vielfältige Erkenntnisse und Produkte, die oft nicht nur für die projektumsetzende ÜBS, sondern für die Arbeit in vielen Bildungszentren wichtig sind.

Der Erfahrungsaustausch und die Weitergabe von Wissen standen daher auch im Zentrum der Veranstaltung des BTZ Osnabrück. Seit Januar 2021 entwickelt das BTZ Osnabrück – gefördert vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) – den Bereich der Land- und Baumaschinentechnik zum „Kompetenzzentrum für Steuerungs-, Regelungs- und Messtechnik in Land- und Baumaschinen“ weiter. Dabei überlegt das BTZ Osnabrück auch, inwiefern immersive Lernmedien in die Lehrgangsgestaltung der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) integriert werden können, um den Auszubildenden neue Zugänge zu komplexen Themengebieten zu verschaffen. Das (erste) Ergebnis dieser Überlegungen ist eine AR-Anwendung für die ÜBA der Land- und Baumaschinenmechatroniker*innen, die das BTZ Osnabrück mit einem Autorenwerkzeug erstellt hat.

Das Autorenwerkzeug „w3do“, das das Unternehmen Way Digital Solutions im Auftrag des BTZ Osnabrück entwickelte, ist dabei ein essentieller Bestandteil der Projektarbeit. „Wir hatten zum Ziel, dass unsere Ausbildenden selbstständig AR-Anwendungen erstellen können“, erklärte Markus Kybart, Projektmanager und Leiter des Kompetenzzentrumsprojektes, den Teilnehmenden das Vorgehen. Mit dem Autorenwerkzeug, einer Software für AR-Anwendungen, wurde dieses Ziel erreicht: Die Ausbildenden können nun auch ohne Programmierkenntnisse selbstständig AR-Anwendungen erzeugen. So können beispielsweise 3D-Objekte in die Software eingespeist und dort für die Modellierung der AR-Umgebung eingesetzt werden. Das reduziert nicht nur den Aufwand und die Kosten für die ÜBS auf ein gut überschaubares Maß, sondern ermöglicht auch passgenaue und bedarfsorientierte AR-Lösungen inhouse zu entwickeln.

Praktisches Beispiel: Mit AR einen Schaltplan bauen
Einen Einblick in die mit dem Autorenwerkzeug entwickelte AR-Anwendung ermöglichte Heiner Herbring, Projektingenieur KomZet Land- und Baumaschinentechnik des BTZ, den Teilnehmenden. Die Auszubildenden in der Land- und Baumaschinenmechatronik arbeiten im Arbeitsalltag mit großen Maschinen, deren komplexer hydraulischer Aufbau im BTZ mithilfe realer Ventile, Verschlauchungen und Hydraulikpumpen an Versuchsständen nachempfunden wird. An diesen Ständen erledigen die Auszubildenden Aufgaben, indem sie Schaltungen gemäß der Pläne aufbauen und in Betrieb nehmen. So sollen sie zum Beispiel einen Hydraulikblock in Gang setzen. Die AR-Anwendung ergänzt die Arbeit an den Modellen und bildet so eine Brückenfunktion zur realen Maschine. Mit Tablets ausgestattet können die Auszubildenden sich entsprechende Informationen auf die Versuchsstände projizieren und ihre Aufgaben autonom bewältigen. Dabei werden beispielsweise die Position der Ventile oder die Fließrichtung des Hydrauliköls gezeigt.

Die Vorträge der Referenten zeigten, dass zielführende AR-Anwendungen auch ohne spezielle IT-Kenntnisse durch das Lehrpersonal erstellt und auf Tablets in die ÜBA eingebunden werden können. Mit Hilfe moderner Autorenwerkzeuge und Offenheit für neue Medien können Ausbildende virtuelle Lernanwendungen für verschiedenste Ausbildungsberufe erstellen. Besonders die Möglichkeit, bestehende Zeichnungs- und Konstruktionsdateien als Grundlage für die Anwendungen zu nutzen, stieß bei vielen Teilnehmer*innen auf offene Ohren. Das BTZ Osnabrück und das Team von „w3do“ stehen Interessierten für Fragen und Austausch zur Verfügung.

VR-Anwendungen im akademischen Bereich
Der praktischen Vorstellung des Autorenwerkzeugs und der AR-Anwendung vorausgegangen waren zwei Vorträge aus dem wissenschaftlich-akademischen Bereich. Dr. Pia Spangenberger von der Universität Potsdam präsentierte in ihrer Keynote Forschungsergebnisse zum Thema „Virtual Reality-Technologie in der beruflichen Bildung“. Anschließend öffnete Prof. Dr. Georg Puchner von der Hochschule Mittweida den Blick auf den „Einsatz von VR und AR im Rahmen der akademischen Ausbildung“.

Dr. Pia Spangenberger präsentierte unter anderem Ergebnisse aus dem Projekt „MARLA: Masters of Malfunction“, einer Mixed-Reality-Lernanwendung mit digitaler Sprachassistenz für die Ausbildung im Bereich Windenergietechnik. In der virtuellen Lernumgebung führen Auszubildende eine Fehlerdiagnose bei einer Offshore-Windkraftanlage durch, unterstützt von einer virtuellen pädagogischen Agentin. Zwischen den acht VR-Lerneinheiten kommt pädagogisches Begleitmaterial zum Einsatz. Kernaspekt dieser Anwendung ist es, die durchaus herausfordernde Arbeit auf hoher See zunächst im sicheren Bildungszentrum zu üben und die Auszubildenden besser auf ihre Aufgaben vorzubereiten.

Neben einem direkten Einblick in die Lernanwendung fasste Dr. Pia Spangenberger die wichtigsten Vorteile einer solchen Anwendung zusammen: Die VR-Lernanwendung ermögliche den Auszubildenden ein Erlebnis mit Neuigkeitswert. Sie erhielten zudem ein individuelles Feedback und könnten die Module beliebig oft und autonom wiederholen. Insofern sei MARLA bei den Nutzenden auf große Offenheit gestoßen. Außerdem konnte festgehalten werden, dass sich VR-Lernanwendungen besonders gut für die Vermittlung anwendungsbezogenen Wissens eignen. Herausforderungen stellten dagegen Themen wie Datenschutz, die rasante technologische Entwicklung und teilweise auch die emotionale Verarbeitung des Erlebten dar.

In der VR-Anwendung „MARLA – Masters of Malfunction“ lernen Auszubildende zunächst im virtuellen Raum die wichtigsten Laufwege und Handgriffe auf einer Offshore-Windkraftanlage, bevor sie diesen Arbeitsort im realen Arbeitsleben besuchen.
Prof. Dr. Georg Puchner stellte in seinem Beitrag vor, wie VR und AR in der akademischen Ausbildung der Campus M University zum Einsatz kommen. Hierbei werden in den Studiengängen „Business Management“ und „Medienmanagement & Digital Content“ VR- und AR-Lösungen eingesetzt, um Fachwissen zu vermitteln, Methodenkompetenz zu trainieren und kollaboratives Arbeiten zwischen den Studierenden, Dozenten und Kooperationspartner zu ermöglichen.

Als Beispiel aus dem Bereich Eventmanagement präsentierte Prof. Dr. Georg Puchner einen virtuellen Workroom, in dem Studierende Kundengespräche einüben können. Solche Anwendungen wie diese müssen spezifische Anforderungen erfüllen: Sie sollten kostengünstig, einfach in der Benutzung und verbreitet sein sowie die Daten der Nutzenden zuverlässig schützen.

*Die Chancen und Potentiale immersiver Medien voll ausschöpfen – der neue Ausbildungsberuf „Gestalterin für immersive Medien“**
In den verschiedenen Beiträgen der Veranstaltung wurde deutlich, welche Vorteile der Einsatz von AR und VR in der beruflichen Bildung mitbringt. So kann zum Beispiel AR eingesetzt werden, wenn bestimmte Maschinen in der Lernumgebung real nicht vorhanden sind. Sie können dann mittels AR-Datenbrille oder Tablet in den Raum „projiziert“ werden. Auch unsichtbare Abläufe innerhalb von Maschinen können über AR-Anwendungen visualisiert werden. VR eignet sich gut, um potentiell gefährliche Tätigkeiten in einer virtuellen Welt risikofrei zu erlernen. Erste Untersuchungen belegen, dass bei beiden Anwendungen die Erinnerungsrate durch den gleichzeitigen Anspruch mehrerer Sinne verbessert wird.

AR und VR werden sich daher zunehmend etablieren und weiterverbreiten. Nur mit AR-/VR-Spezialistinnen lassen sich schließlich die Chancen und Potentiale immersiver Medien voll ausschöpfen. Der Bedarf nach entsprechend ausgebildetem Fachpersonal wird bereits heute in der Wirtschaft artikuliert. Thomas Hagenhofer vom Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien beschrieb in der Veranstaltung, dass sich in Untersuchungen des Bundesinstituts für Berufsbildung ein hoher Bedarf an Fachkräften, die im Bereich immersive Medien ausgebildet sind, gezeigt habe. So entstand der neue Ausbildungsberuf „Gestalterin für immersive Medien“, der erstmals im Ausbildungsjahr 23/24 ausgebildet wird.

Junge Menschen, die diesen Ausbildungsberuf ergreifen, können als Spezialistinnen für AR- und VR-Anwendungen in den verschiedensten Unternehmen eingesetzt werden. Sie können beispielsweise neue Möglichkeiten kreieren, um Kundinnen Produkte vorzuführen. Sie werden mit dazu beitragen, Unternehmen gut für die Zukunft aufzustellen und zukunftsfest zu machen.

Die Veranstaltung schloss mit einer Frage- und Gesprächsrunde, wobei insbesondere das Autorenwerkzeug auf großes Interesse stieß. Hierbei betonten die Beteiligten noch einmal das positive Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu einzelnen Beauftragungen sowie die relativ zügige Realisierbarkeit von Projekten.

Das BTZ hat mit „w3do“ nun ein Werkzeug, das es ihnen ermöglicht, die Lehrgänge der ÜBA mit AR-Anwendungen aufzuwerten und für die Auszubildenden attraktiver zu gestalten. Entscheidend für den Einsatz von immersiven Medien in der beruflichen Bildung bleiben jedoch die fachliche Kompetenz der Ausbildenden und der didaktische Mehrwert. Dieser muss immer maßgebend sein.

BILD: (BTZ) Osnabrück

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